»Wie groß in Eurer Seele die Leidenschaft für die Verehrung unserer göttlichen Religion ist, verkündet die ganze Welt.«
An Weihnachten des Jahres 800 hatte der Frankenkönig als mächtigster König Europas das römische Kaiserreich im Westen wiederbelebt. Seitdem gewann das christliche Europa trotz innerer Kämpfe an Stärke und Selbstbewusstsein. Aber es wurde an seinen Grenzen von verschiedenen Invasoren bedrängt. Aus dem Norden kamen die Wikinger, aus dem Süden sarazenische Piraten und aus dem Osten drängten ungarische Reiterkrieger in das Reich. Im 10. Jahrhundert gelang es, diese Überfälle zu beenden. Im August 955 suchten die ungarischen Kämpfer bei Augsburg eine Entscheidung. Entgegen ihrer Gewohnheit, schnell zuzuschlagen und sich wieder zurückzuziehen, führten sie Belagerungsgerät mit sich. Die bedrängte Stadt hielt den Angreifern stand, bis König Otto ihr mit seinem Heer aus Bayern, Franken, Schwaben und Böhmen zu Hilfe kam. Auch Ottos Heer suchte bei Augsburg eine Entscheidung. Es war eine bedeutende Entscheidung.
Otto I. war König der Ostfranken. Sein Reich, das ca. 100 Jahre später zu Deutschland wurde, war damals noch ein Teil des großen Frankenreiches, das Karl der Große gegründet hatte. Als die Familie Karls des Großen im Ostteil des Reiches zu Ende ging, folgte ihr die Familie der Ottonen nach. Dem ersten König aus der Dynastie der Ottonen, Heinrich I. (919-936) gelang es bei einem Ungarneinfall 924, einen ungarischen Fürsten gefangen zu nehmen und durch Verhandlungen zu einem neunjährigen Waffenstillstand zu kommen. Diese Zeit nutzte Heinrich, um ein schlagkräftiges Reiterheer aus schwer bewaffneten Panzerreitern aufzustellen, die den Reitertruppen der Ungarn Paroli bieten konnten. Außerdem wurden an vielen Orten im Reich Fluchtburgen angelegt, in die sich die Bevölkerung bei Ungarnangriffen mit ihrem Vieh und ihrem beweglichen Hab und Gut zurückziehen konnte. 955 unternahmen die Ungarn einen erneuten, folgenreichen Angriff auf das ostfränkische Reich der Ottonen.
Die Schlacht bei Augsburg am 10. August 955 wird traditionell die Schlacht auf dem Lechfeld genannt. Tatsächlich ist der genaue Ort des Schlachtfeldes bis heute unbekannt. Das Schlachtfeld selber wurde bis heute nicht klar identifiziert, und es ist möglich, dass ein solcher Fund in der Zukunft noch wichtige Erkenntnisse, etwa durch die Schlachtfeldarchäologie, mit sich bringt. Es gibt immer wieder Funde von ungarischer Reiterausrüstung oder auch von Waffenresten sowohl im weiteren Umfeld von Augsburg. Daraus leiten die Finder bisweilen ab, dass das Schlachtfeld nicht, wie bislang angenommen, im Süden Augsburgs bei Königsbrunn liegt, sondern an anderer Stelle zu finden ist. Letzte Sicherheit kann nur der tatsächliche Fund mit einer Vielzahl von Pfeilspitzen und anderen Überresten einer größeren Schlacht liefern. Falls dies möglich ist. Denn die einzige sichere Ortsangabe neben der Nähe zu Augsburg ist die Nähe zum Lech, der bei Widukind von Corvey ausdrücklich genannt wird. Dabei wird der Lech bei seiner ersten Nennung von den Ungarn überraschend durchquert, die daraufhin den Tross des langen Heerzuges attackieren. Bei der zweiten Nennung gelingt es den Ungarn dagegen nicht, an anderer Stelle den Fluss zu durchqueren, weil das Ufer zu hoch ist. Die Strömung reißt sie mit sich fort. Daran ist zu erkennen, dass ein Teil des Kampfes nahe dem Ufer vor sich ging. Der damals noch nicht eingehegte Lech, der sein Bett häufig änderte und dabei viel Uferland mit sich nahm oder überflutete, konnte so natürlich das Schlachtfeld in späteren Zeiten stark verändern und Waffenteile mit sich nehmen. Der Kampfplatz selber wird vom ortsunkundigen Widukind nicht benannt, der Fluss war ihm in seinem Kloster an der Weser eine wichtige Orientierung. Heutige Funde von Waffen oder von ungarischer Reiterausrüstung aus der Zeit müssen kein Hinweis auf das Schlachtfeld sein.
Denn Widukind berichtet ausdrücklich von der finsteren Verfolgung der Fliehenden, die man nicht entkommen ließ. So können gefundene Ausrüstungsstücke auf solche versprengten Fliehenden zurückgehen. Dies umso mehr, wenn der Fundort keine stärkere Dichte von Waffenteilen oder anderen Überresten einer Schlacht aufweist. Widukind berichtet von einem große Heer aus „acht Legionen“, das durch unwegsames Gelände zog: Bayern, Franken, Schwaben, dazu noch Böhmen am Ende des Zuges. Aus Ottos Heimat waren nur wenige Sachsen dabei, da sie durch Kämpfe zuhause gebunden waren. Es war ein schwerer Kampf: „Nicht gerade unblutig war der Sieg über einen so wilden Stamm.“
Die Hauptakteure auf ostfränkischer Seite im August 955 waren König Otto I. und der Augsburger Bischof Ulrich (890-973). Bischof Ulrich konnte mit seinen Rittern und der Unterstützung der Augsburger die Stadt am 8. und 9. August 955 gegen die Belagerer verteidigen. Zwei zeitgenössische Chronisten berichten über die Ereignisse im August 955. Die Werke dieser beiden Chronisten sind die Hauptquellen unserer Kenntnis von den Ereignissen des Augusts 955 in und bei Augsburg.
Ulrichs Biograph Gerhard gibt eine dramatische Schilderung dieser zwei Tage. Die rechtzeitige Ankunft von Ottos Heer rettet die Stadt. Die Ungarn unter ihrem Fürst Bulcu zogen sich ins Umland zurück. Der Augsburger Dompropst Gerhard, ein Vertrauter Ulrichs, berichtet in seiner Lebensbeschreibung des Bischofs in lebendigen Bildern aus der belagerten Stadt. Und er berichtete auch von späteren, vertrauten Zusammenkünften von Bischof Ulrich und Kaiser Otto. Nach der Lechfeldschlacht ließ Ulrich die von den Ungarn zerstörten Kirchen wieder aufbauen. Ulrich war als Bischof ein mächtiger Mann im Reich Ottos des Großen. Das gemeinsame Erlebnis der Kämpfe bei Augsburg führte zu einem vertrauten Umgang von Bischof und König und späterem Kaiser. Bereits 20 Jahre nach seinem Tod wurde Ulrich im ersten bekannten Heiligsprechungsverfahren 993 in Rom zur Ehre der Altäre erhoben. Der Mönch Widukind im Kloster Corvey an der Weser schildert in seinem Geschichtswerk »Res gestae Saxonicae« das Schlachtgeschehen. Corvey war ein Kloster in Sachsen, der Heimat Ottos, und Widukind hörte verschiedene Berichte von Teilnehmern der Schlacht. Widukind berichtet, dass Otto von seinen Kämpfern noch auf dem Lechfeld zum Vater des Vaterlandes und zum Kaiser ausgerufen worden sei. Diese Kaiserakklamation nach dem Vorbild der römischen Kaiser in der Spätantike ist nicht weiter bezeugt. Otto trat danach noch nicht als Kaiser auf. Aber der Sieg auf dem Lechfeld machte ihn zum Kandidaten für den Kaisertitel, den er sieben Jahre später in Rom vom Papst verliehen bekam.
Als Otto I. (912 – 973) im Jahr 936 König wurde, war das ostfränkische Reich (Regnum) politisch noch kein gefestigtes Gebilde. Es war kein Staat mit klaren Grenzen. Mächtige Große rivalisierten untereinander und mit dem König um ihre Stellung. Der König galt als Erster unter Gleichen (Primus inter Pares) und Ottos Vater Heinrich verzichtete ausdrücklich auf eine Königssalbung. Traditionell wurde das Reich unter den Söhnen des Königs aufgeteilt, die ihrerseits Königs wurden. Ottos Vater Heinrich leitete einen Wandel ein, als er verfügte, dass der Königstitel nur noch an den Erstgeborenen vererbt werden sollte. Das Reich sollte künftig nicht mehr geteilt werden. Darüber gab es nach Heinrichs Tod heftigen Streit. Sein Bruder erhob sich gegen Otto, aber durch politisches Geschick gelang es Otto trotz aller Widerstände, sich als Herrscher des ostfränkischen Reiches zu behaupten. Als solcher sammelte er 955 ein Heer aus wichtigen Herzogtümern seines Reiches und konnte so die Ungarn, die seit vielen Jahren Europa mit ihren Raubzügen erschüttert hatten, auf dem Lechfeld bei Augsburg besiegen. Der Sieg hatte bedeutende Folgen. Die Niederlage schwächte die unruhigen, heidnischen Kräfte in Ungarn. Die sesshaften Kräfte setzten sich durch. In der Folge wurden die Ungarn ebenso wir die getauften Skandinavier Teil des christlichen Europa. Ottos Sieg auf dem Lechfeld öffnete ihm den Weg zum Kaisertitel in der Nachfolge Karls des Großen. Damit gelangte die Kaiserkrone in den Osten des Frankenreiches und wurde zu einer prägenden Tradition des entstehenden Deutschlands. Dieses neu errichtete Kaisertum endete erst im Jahr 1806.
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Ulrich wurde im Jahr 890 geboren und stammte aus schwäbischem Adel. Durch sein Bischofsamt, das er seit 923 ausübte, gehörte er zu den Großen des Reiches und pflegte enge Verbindungen zu den ostfränkischen Königen, die er erlebte. Dies zeigt sich auch in seinen Besuchen am Hofe des Königs und auf Hoftagen.
Durch die Befestigung der Stadt, die er als Bischof von Augsburg veranlasste, konnten die Angriffe der Ungarn am 8. und 9. August 955 erfolgreich abgewehrt werden.
Bischof Ulrich ließ den Dom und die Kirche St. Afra, die später zur Ulrichskirche wurde, weil Ulrich dort begraben ist, neu erbauen. Er starb als hochgeachteter Bischof im Jahr 973. Zwanzig Jahre später wurde er heiliggesprochen.
Bis zum heutigen Tag genießt Bischof Ulrich in der Bevölkerung Süddeutschlands und darüber hinaus große Verehrung.
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